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Der Königsweg der Spaßgaleere … März 20, 2009

Posted by Huge in Fernsehen.
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Während Matthias Richlings „Satire-Gipfel“ als Scheibenwischer-Nachfolger anläuft, geht die Zeit von „Schmidt & Pocher“ unweigerlich dem Ende entgegen. Beobachtungen an einem Satire-Abend im Ersten.

Das breite Grinsen, mit dem sich Matthias Richling gestern Abend am Ende seiner neuen Show verbeugte, war eine Mischung aus Glück und Erleichterung. Mit dem „Scheibenwischer“ ist eine Institution vom Bildschirm verschwunden, der Übergang zum Nachfolger „Der Satire-Gipfel“ verlief nicht ganz geräuschlos. Gerne hätte Richling den traditionsreichen Namen beibehalten und nur das Konzept geändert, doch dieser Plan scheiterte am Veto von Erfinder Dieter Hildebrandt, der sich über Anwalt und Medien zu Wort gemeldet hat.

Viel ist tatsächlich nicht übrig geblieben vom Scheibenwischer. Das ist durchaus Absicht, dem Vergleich mit dem Vorgänger wird das neue Format mit dem großspurigen Namen dennoch nicht entgehen. Die Kulissen wurden entrümpelt, Monitore angebracht und die Bühne vergrößert. Grund genug für einen Glückwunsch, findet Richling in seiner Begrüßung, „Sie haben eine neue Satireshow gewonnen.“ Neu sind aber vor allem die Gesichter. Der grantlige Richard Rogler und Bruno Jonas haben das Boot verlassen, nur Richling, der immer noch aussieht wie ein Schuljunge, rudert weiter.

Politisches Kabarett ist es, was der Zuschauer sich seit Jahrzehnten vom Scheibenwischer (ich kann mir nicht helfen, Scheibenwischer bleibt Scheibenwischer) erwartet. Richling als neuer Frontmann sieht das zwar auch so, aber lockerer als Übervater Hildebrandt: er öffnet die Türen für Comedy, auch wenn die Grenze fließend ist. An Substanz hat der Scheibenwischer in seiner letzten Zeit ohnehin verloren, er lebte größtenteils von seiner Tradition. Politisches Kabarett gab es nur noch im ZDF bei „Neues aus der Anstalt“ zu sehen und in den „Mitternachtsspitzen“ im WDR (gibt´s die noch?).

Und so wird das Hauptproblem der neuen Sendung schnell klar. Das politische Geschehen kritisch und ironisch zu begleiten ist der Anspruch, aber manche Ensemblemitglieder sind dafür schlicht ungeeignet. Ingolf Lück zum Beispiel. Der Comedian aus Bielefeld war mit einer blamablen Strip-Performance zumindest mitschuldig am Reich-Ranicki-Eklat beim Fernsehpreis. Auch sonst zeigt sich Lück gern halbnackt auf der Bühne, ohne dabei witzig zu sein. Beim „Satire-Gipfel“ versucht er ein paar Lacher über die Abwrackprämie zu erhaschen, wirklich erfolgreich ist er aber auch dabei nicht.

Die gute Nachricht: Lück blieb gestern die Ausnahme. Richling ist als alter Hase eine Konstante und als Parodist immer wieder schön anzusehen. Diesmal in der Rolle von Wirtschaftsminister Guttenberg. Die weiteren „Gäste“ überzeugen: der junge Matthias Seling verkörpert perfekt die sinnvolle – und vor allem lustige – Kreuzung zwischen Kabarett und Comedy, Philipp Weber und Frank Lüdeke werden wohl auch noch öfter im Satire-Gipfel auftreten.

Die Blutauffrischung hat der Sendung gutgetan. Es fehlt noch einiges zum Scheibenwischer-Kaliber, doch die erste Ausgabe hat gezeigt, dass Potential in der Show steckt. Die Modernisierung der Bühnenausstattung war lange überfällig und eröffnet mehr Möglichkeiten. Als Schwachpunkt könnte sich die mangelnde Abstimmung zwischen den Künstlern herausstellen, da es keine Stammbesetzung mehr gibt. Ob sich der Satire-Gipfel wirklich durchsetzen kann, das muss und wird sich noch herausstellen.

„Schmidt & Pocher“ haben das bereits hinter sich. Auf dem Quotenmarkt hat das prominente Duo erstaunlich wenig gerissen, im Mittelpunkt stand die Show meist nur wegen Nazometern, obszönen Gästen und Stauffenberg-Parodien. Seit klar ist, dass die Liaison demnächst beendet wird, geben sich die beiden anscheinend nicht einmal mehr richtig Mühe, lustig sein. Ein, zwei gute Sprüche in den Stand-ups am Anfang, mehr kommt meist nicht.

In den fast anderthalb Jahren haben die beiden einiges ausprobiert. Bayern-WG, Parodien, Helmut Zerlett, Fernsehschnipsel wie bei TV Total und vieles mehr. Als wirklich effektiv hat sich nichts davon erwiesen, so dass sowohl Harald Schmidt als auch Oliver Pocher am Ende wohl unbefriedigt aus der Verbindung hervorgehen. Gestern ein ähnliches Bild: langweilige Gäste (eine versiffte Seriencrew eines unbekannten Senders), kein wirklicher Kracher. Olli Pocher begibt sich als Marc Terenzi zum Sarah-Connor-Konzert und als Heiratsschwindler nach Zürich. Wie in den meisten Ausgaben ist der Studiosketch, bei dem Schmidt, Pocher und Zerlett diesmal die Finanzkrise als Kasperletheater spielten, der Höhepunkt.

Nun geht wohl jeder seinen eigenen Weg. Aus Schmidts Umfeld (Kogler!) wurde bereits früh laut, er wolle im Superwahljahr politischer werden. Mit Oliver Pocher, zugegebenermaßen ein guter Parodist, aber noch nicht besonders symbolträchtig, ist das offenbar nicht zu machen. In den ARD-Gremien genießt der junge Comedian keinen guten Ruf, dafür hat er aber in Programmchef Volker Herres einen mächtigen Fan. Doch was hilft´s, wenn Pocher anscheinend den Weg zu RTL anstrebt. Mit Günter Jauch hat er bereits eine Probesendung für seine neue Show aufgezeichnet.

Im Satire-/Kabarett-/Comedy-Genre oder wie man es nennen möchte tut sich also nicht viel in öffentlich-rechtlichen Sphären. Auf diesem Gebiet befindet sich das Privatfernsehen längst auf der Überholspur – mit Switch Reloaded, Stefan Raab und (schändlich zu sagen) auch Mario Barth. Bei ARD und ZDF ist der gute Witz und die intelligente Satire selten geworden. Einfach ist es wohl nicht, den öffentlich-rechtlichen Anstalten geziemenden Mittelweg zwischen Niveau und massenverträglicher Comedy zu finden. Ausnahmen gibt es aber doch: „Pelzig unterhält sich“ und – wenn auch nicht politisch – „Die Krömer-Show“, wo sich Sendung für Sendung mit spleenigen Moderatoren Szenen zwischen Genie und Wahnsinn zutragen. Noch allerdings versteckt die ARD diese Formate konsequent nach Mitternacht oder in Regional- und Digitalkanälen.

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